Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

NRW zum Technologieführer der Transformation machen

Von Sebastian  Hartmann MdB

Bis Januar 2021 Landesvorsitzender der SPD Nordrhein-Westfalen

Der Landesvorsitzende der SPD NRW, Sebastian Hartmann, blickt im Blog auf den Wirtschaftsstandort und das Industrieland NRW unter Corona-Bedingungen.

Die Corona-Pandemie trifft unsere Gesellschaft und Wirtschaft hart. Mit den staatlichen Soforthilfen für in Not geratene Branchen, Beschäftigte und Solo-Selbstständige konnten wir zwar einige Härten abfedern. Doch wenn wir ehrlich sind, wissen wir jetzt noch nicht, was uns in den nächsten Monaten noch erwartet. Von der Gefahr einer zweiten Welle ganz zu schweigen. Dennoch hat die Bundesregierung mit dem Konjunkturpaket Anfang Juni den Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft eine richtungsweisende Perspektive aufgezeigt: Der Staat unterstützt in akuten Notfällen und investiert vor allem in wichtige Technologien und Zukunftsfelder, wie Digitalisierung, Mobilität und Energiewende.

Ich freue mich, dass vor allem der Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz – mit „Bazooka“ und „Wumms“ – dafür verantwortlich zeichnet, die Wirtschaft anzukurbeln. Und dafür, die Krise zu nutzen, um Teile unserer Gesellschaft und Wirtschaft umzubauen – sozial, nachhaltig und innovativ.

Was bedeutet das für unsere Unternehmen in Nordrhein-Westfalen?

Die Krise wirkt auf den Wirtschaftsstandort in NRW ein, wie ein Brennglas und ein Brandbeschleuniger zugleich: Trends, wie Digitalisierung, Globalisierung und Klimawandel haben uns auch vor der Corona-Krise schon vor große Herausforderungen gestellt und unsere Art zu leben, zu arbeiten und zu wirtschaften verändert – nun werden sie uns übergroß vor Augen geführt und wirken sich schneller aus als erwartet. Das erleben wir nicht zuletzt auch im Einzelhandel und in den Einkaufsstraßen unserer Innenstädte. Der Handlungsdruck auf die Politik, aber auch auf einzelne Branchen steigt.

Ich will das an drei Beispielen verdeutlichen:

NRW ist Industrieland: Die Corona-Krise beschleunigt den digitalen Wandel und Umbrüche in der Automobil- und Chemiebranche. Dies fordert besonders die mittelständisch geprägte Zulieferbranche in NRW.

NRW ist Energieland: Der Ausstieg aus der Braunkohle und der Kohleverstromung, das heißt, der Umbau der Energieerzeugung schreiten parallel zur Corona-Krise weiter voran.

NRW ist Exportland: Der Brexit wird viele Unternehmen wegen ihrer engen Verflechtung mit Großbritannien treffen.

Angesichts dieser großen Herausforderungen kann keine Rede davon sein, dass in jeder Krise auch Chancen liegen. Vielmehr braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung, damit wir die vielen Umbrüche zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger gestalten und den Menschen Sicherheit im Wandel bieten.

Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht das: Noch immer sind von den rund 9 Millionen Beschäftigten in NRW 2,2 Millionen im industriellen Sektor tätig. Davon arbeiten rund 216.000 im Automobilsektor und mehr als 100.000 in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Überwiegend gut bezahlte, tarifgebundene Arbeitsplätze.

Ich möchte, dass NRW Industrieland bleibt.

Ich möchte, dass Nordrhein-Westfalen auch nach der Corona-Krise und den genannten Umbrüchen ein Industrieland bleibt. Dafür habe ich vor einigen Monaten einen „Solidarpakt Zukunft“ vorgeschlagen.

Denn der bevorstehende Umbruch braucht zunächst ein klares Bekenntnis der Politik zur Industrie in NRW, zu Schlüsselbranchen, wie dem Maschinenbau oder der Chemiebranche, zur Energiewirtschaft, zu den Automobilzulieferern und nicht zuletzt zum Strukturwandel im Rheinischen Revier.

Das bedeutet konkret, dass Bund und Land die Kosten der Transformation öffentlich kofinanzieren, vor allem mit Blick auf die mittelständischen Wirtschaftsstrukturen. Die guten Erfahrungen mit dem Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise beweisen die Eignung des Instruments beispielsweise für ein „Transformationskurzarbeitergeld“, das die Weiterbildung der Beschäftigten fördert und gleichzeitig Unternehmen im Umbruch unterstützt.

Auch wenn der Zubau erneuerbarer Energien in NRW derzeit stockt, müssen wir die Energiewende weiter vorantreiben. Dafür müssen wir die schlafenden Riesen wecken und die Energieeffizienz steigern sowie in Speichertechnologien investieren. Bezahlbare und sichere Energie ist das Rückgrat eines erfolgreichen und starken Nordrhein-Westfalens. Darum müssen wir die Energiewende solidarisch gestalten – zwischen den Generationen, der Industrie, den Beschäftigten und den Bürgerinnen und Bürgern.

"Wenn Nordrhein-Westfalen weiterhin erfolgreich sein will, müssen wir auch künftig das Land der guten Arbeit, der intelligenten Technologien und der neuen, sauberen und sicheren Energie sein."

Der Bund hat mit dem Konjunkturpaket bereits dafür gesorgt, dass Milliarden in die klimafreundliche Energie- und Mobilitätswende gesteckt und zugleich nachhaltig Arbeitsplätze im Strukturwandel gesichert werden, in dem er Wachstumsimpulse für klimafreundliche Industrien setzt: Der Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wird gestärkt, die Umweltprämie für Elektro-Autos verdoppelt, die Ladesäulen-Infrastruktur ausgebaut, Forschung und Technologien, wie die Batteriezellproduktion gefördert, ein Flottenaustauschprogramm für Elektro- und Wasserstoffbusse gestartet und Zuschüsse gegeben für die Fuhrparkmodernisierungen unter anderem bei Sozialen Diensten.

So eröffnen wir sowohl neue Perspektiven für den Klimaschutz als auch erhebliches Potenzial für neue Wertschöpfungsketten mit Arbeits- und Ausbildungsplätzen in allen Sektoren. Das sichert gute, zukunftssichere Arbeit – und stärkt auch Nordrhein-Westfalen im globalen Wettbewerb um einen Spitzenplatz bei umweltfreundlichen Technologien.

Aber auch die amtierende Landesregierung ist gefragt, ihren Beitrag für die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts zu leisten. Hier hätte ich mir mehr Engagement vorstellen können. Es mangelt zudem an Kreativität. Diese ist im Angesicht der Herausforderungen aber geboten – wir müssen jetzt die Weichen auf Zukunft stellen. Und dazu gehören auch größere Investitionen in die digitale Infrastruktur.

So kommt der Glasfaserausbau in Nordrhein-Westfalen nur schleppend voran. Von den über 3.900 von den Kommunen gemeldeten Gewerbegebieten sind nur 68 Prozent vollständig mit Glasfaser erschlossen oder dafür vorgesehen. Schnelles und verfügbares Internet sind jedoch die Grundlage, um als Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb mithalten zu können.

Auch der Brexit stellt uns vor neue Herausforderungen. Deshalb wird es darauf ankommen, dass wir unseren Unternehmen auch weiterhin einen möglichst freien Zugang zum britischen Markt garantieren. Gleichzeitig profitiert Nordrhein-Westfalen derzeit vom Brexit. Denn seit dem britischen Referendum haben sich mehr als 100 Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich in NRW angesiedelt. Ein weicher Brexit mit einem Handelsabkommen könnte auch zu positiven Effekten für die NRW-Wirtschaft führen, etwa durch neue Zulieferverträge mit europäischen Unternehmen, die bisher mit britischen Firmen zusammengearbeitet haben. Gleiches gilt auch für Fachkräfte aus dem Vereinigten Königreich, die in Zukunft in Nordrhein-Westfalen arbeiten könnten.

Es ist Zeit für eine neue Idee für NRW.

Um die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen auf diesem Weg des Wandels, brauchen wir eine begeisternde Erzählung, wo wir hinwollen und wofür sich die gemeinsamen Anstrengungen lohnen.

Wir sind schon lange nicht mehr das Land der Kohle, des Stahls und der alten Schwerindustrie. Aber Nordrhein-Westfalen hat noch immer eine starke industrielle Substanz, die wir modernisieren müssen - intelligent, sozial und nachhaltig.

Lassen Sie uns NRW gemeinsam zum Technologieführer der Transformation machen. Wenn Nordrhein-Westfalen weiterhin erfolgreich sein will, müssen wir auch künftig das Land der guten Arbeit, der intelligenten Technologien und der neuen, sauberen und sicheren Energie sein. Die Welt wird in Deutschland vor allem auf Nordrhein-Westfalen schauen, wenn wir Ökologie und Ökonomie, soziale Standards und wirtschaftlichen Erfolg neu miteinander verbinden.

Wenn uns das gelingt, haben wir in Nordrhein-Westfalen die besten Aussichten.

Die Corona-Pandemie verlangt uns allen viel ab. Und das in einer Zeit, in der ohnehin viele Umbrüche anstehen. Umso mehr kommt es jetzt darauf an, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Ich bin sicher, dann überstehen wir gemeinsam und gestärkt auch diese Krise. Die NRW-Wirtschaft hat die nordrhein-westfälische SPD auf diesem Weg fest an ihrer Seite.

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Sebastian Hartmann MdB

Bis Januar 2021 Landesvorsitzender der SPD Nordrhein-Westfalen

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